1. Einleitung: Der Populismusdiskurs der real existierenden Liberaldemokratie
In Zeiten von Trump, Le Pen, Meloni und der organischen Krise der westlichen Liberaldemokratien ist der Populismus in aller Munde. Mediale Öffentlichkeit, Feuilleton und ein Großteil des sozialwissenschaftlichen und politiktheoretischen Diskurses (vgl. Müller 2016; Scurati 2024; Selk 2023) scheinen sich darin einig, dass der Populismus einen regressiven Atavismus oder gar die gegenwärtig größte Gefahr für die Demokratie darstellt: Ein normalerweise weitestgehend reibungsloses Miteinander werde durch populistische Demagogie, Fake News und das Schüren von Ressentiments sabotiert – Populisten machen sich, so scheint es Konsens zu sein, die Überforderung eines ansonsten als lethargisch oder indolent imaginierten Demos zu eigen, um gegen vermeintliche Eliten zu mobilisieren, das Gemeinwesen dadurch zu zerrütten und den Karren an die Wand zu fahren. Je austauschbare Gegenbegriffe werden, wie in der Rede von der oft beschworenen 'politischen Mitte', gegen den Populismus in Stellung gebracht; ein vorgeblich verlorengegangener, vom Populismus beseitigter politischer Anstand wird beklagt – konkrete ideologisch-politische Positionsbeschreibungen oder gar Forderungen werden zumeist nicht thematisch, sodass die Bezeichnung 'populistisch' zum politischen Containerbegriff schlechthin avanciert ist. Eine Differenzierung zwischen 'links'-populistischen oder 'rechts'-populistischen Positionen scheint – sofern sie in der medialen Öffentlichkeit denn erfolgt – von nachgeordnetem Interesse zu sein, wie auch eine jede politische Aussage von sich selbst nicht-populistisch wähnenden Politiker:innen jederzeit vom jeweiligen politischen Gegner mit dem Verdikt des Populismus geschmäht werden kann.
Der Frage, wie der Populismus zu diesem fragwürdigen Ruhm gelangen konnte und wie der akademische Populismusdiskurs zur Verbreitung eines stereotypen Bildes vom vermeintlich pauschal demokratiegefährdenden oder rückständigen Populismus beigetragen hat, widmet sich Yannis Stavrakakis in seiner Arbeit Populist Discourse: Recasting Populism Research. Der Laclau-Schüler, Diskurstheoretiker und langjährige Populismusforscher Stavrakakis gibt in seiner Publikation einen Überblick zur Geschichte des akademischen Populismusdiskurses und diversen, in der Auseinandersetzung mit dem Populismus meist unterrepräsentierten historischen Konstellationen, Bewegungen und Parteien, die Begriff, Gestalt und Selbst- wie auch Fremd-Verständnis verschiedener Populismen geprägt haben. Ausgehend vom Ansatz der Hegemonie- und Diskurstheorie Ernesto Laclaus und Chantal Mouffes (1985) sowie der psychoanalytischen Theorie Jacques Lacans führt Stavrakakis zunächst durch die Geschichte und Forschungsgeschichte des Populismus, um darauf aufbauend einen eigenen, der heute gängigen Populismusforschung entgegengesetzten, diskurstheoretisch informierten Definitionsversuch des Populismus vorzulegen. Über diese, für Fragen der politischen Theorie und Erkenntnistheorie der Sozialwissenschaften aktuelle, Problemstellungen hinaus gibt Stavrakakis auch Einblick in seine Arbeit an der Erweiterung des diskurstheoretischen Modells Ernesto Laclaus und unterzieht die längerfristigen Chancen und Risiken populistischer Politiken einer kritischen Bewertung, die – gängige Stereotype vermeidend – zur Frage nach den Bedingungen und Modi politischer Mobilisierung und Institutionalisierung in der Gegenwart führt. Im Folgenden werden zunächst (2.) zentrale Standpunkte und Aussagen Ernesto Laclaus populismustheoretischer Arbeit On Populist Reason (Laclau 2005) als relevanter Hintergrund für Stavrakakis' Forschungsbeitrag skizziert. Anschließend (3.) erfolgt die Nachzeichnung der von Stavrakakis entwickelten Dekonstruktion des akademischen Populismusdiskurses. (4.) Die Darstellung des von Stavrakakis aufgenommenen diskurstheoretischen Ansatzes und der daher entwickelte Definitionsversuch des Populismus geht einer abschließenden kurzen Diskussion (5.) der Anschlussfragen an Stavrakakis Auseinandersetzung mit Populismusdiskurs und Diskurstheorie voran.
2. Yannis Stavrakakis auf den Spuren Ernesto Laclaus
Populismus, so Yannis Stavrakakis, "constitutes the name that the status quo ascribes to certain ostensibly undesirable, anti-systematic or, at any rate oppositional discourses" (6). Dass eine solche rein negative Bestimmung im herkömmlichen Sinne keine Definition positiver Eigenschaften abgeben kann, liegt auf der Hand, und so stellt Stavrakakis schon eingangs klar, dass er darauf abzielt, die 'Stereotypen' der "mainstream"-Populismusforschung zu dekonstruieren (21). Der Populismus, oder vielmehr das diskursiv geschaffene und die Öffentlichkeit heimsuchende "monster of populism" (6), so macht Stavrakakis deutlich, ist ein in einem politisch konfliktiven und niemals neutralen Feld geschaffenes Konstrukt. Die Rede vom Populismus als Monster oder auch 'Verkörperung' von "nearly every (chronic) social pathology" (6) ist nur denkbar vor dem Hintergrund eines implizit nicht in Frage stellbaren Modus von Politik – 'Populismus' im heutigen medialen Diskurs ist zunächst Abwertung einer Abweichung von (politischer) 'Normalität' (1–7)1 "to discredit every alternative proposal diverting away from the (supposedly) single professional and respectable way of conducting politics (TINA: There Is No Alternative)" (6). Mit diesen Feststellungen folgt Stavrakakis inhaltlich den etwa 20 Jahren zuvor von Ernesto Laclau in On Populist Reason (2005)2 getroffenen Aussagen zum Charakter des Populismus und dem Stand der Populismusforschung. Für Laclau zeigt sich in der Unbestimmtheit des Diskurses über den Populismus ein Merkmal des Populismus selbst und darüber hinaus ein tiefergehendes Versagen der diskursprägenden, rezent-hegemonialen Ansätze politischer Theorie (vgl. Laclau 2005, 3f., 16–20). Der Populismus gilt Laclau vielmehr als "the royal road to understanding something about the ontological constitution of the political as such" (Laclau 2005, 67). Im Folgenden sollen hier zwei maßgebliche Aspekte der für Stavrakakis prägenden Vorarbeit Laclaus herausgestellt werden: Zunächst dessen Genealogie des Diskurses der Massenpsychologie und im Anschluss seine formale Bestimmung des Populismus.
Laclau leitet her, wie durch den Diskurs der Massenpsychologie und kriminologischen Sozialpathologie – besonders hervorzuheben ist das Werk von Gustave Le Bon – eine Pathologisierung des 'Volkes' / der 'Massen' betrieben wurde, in deren Zuge die "constitution and dissolution of a social frontier separating the normal from the pathological" (Laclau 2005, 19) stattgefunden hat. Diese Konstruktion ist es, die den begrifflichen und diskursiven Rahmen dafür bereitstellt, im Populismus eine Art abnormaler Politik zu sehen, die die vermeintliche Irrationalität der 'Massen' oder des 'Volkes' ausnutzt und somit als emblematische Erscheinung einer solchen Pathologie gelten kann (vgl. Laclau 2005, 19f., 63f.). Einen grundlegenden Wandel im Diskurs der Massenpsychologie sieht Laclau im Denken Freuds angelegt – Laclau spricht in Bezug auf Freuds Massenpsychologie und Ich-Analyse [1921]3 vom "most radical breakthrough which had so far been accomplished in mass psychology" (Laclau 2005, 52). Freud baue nicht nur durch sein triebzentriertes tiefenpsychologisches Modell, so Laclau, die bisher in der Massenpsychologie zentrale Unterscheidung von Individual- und Sozialpsychologie ab (vgl. Laclau 2005, 52f.), sondern formuliere mit seiner Theorie der Identifikation mit Führungsfiguren und der Behauptung der Konstitution einer Gleichheitsbeziehung zwischen Mitgliedern einer sozialen Gruppe auch eine Erklärung für Begründung sozialer Ordnung, die ihren Grund außerhalb ihrer selbst – ‚transzendent' – findet (vgl. Laclau 2005, 62f.). Gruppenkohäsion werde in diesem freudschen Modell durch den Abstand von Ich und Ichideal, genauer durch den Abstand der Mitglieder der Gruppe zu dem zum Ichideal erkorenen (libidinös besetzten) Führer ermöglicht. Die Gleichheit bzw. Äquivalenz der Gruppenmitglieder untereinander rührt, nicht zuletzt, vom gemeinsamen Abstand zur Führungsfigur und der durch diese Identifikation benennbaren Abgrenzung gegen ein nicht dazugehöriges Äußeres jenseits der Gruppe (Laclau 2005, 69f.). Mit dieser Freud-Lektüre unternimmt Laclau eine Angleichung des freudschen Ansatzes der ‚massen-' bzw. gruppenpsychologischen Theorie der Identifikation mit seiner eigenen hegemonietheoretischen Position, die genau um jene Abständigkeit und Äußerlichkeit eines Grundes sozialer Ordnungen kreist.
Vor dem Hintergrund seines Verständnisses von Identitäten als diskursiv konstruierten Identitäten entwickelt Laclau eine formale Definition des Populismus, aus der ersichtlich wird, inwiefern von seiner Warte aus Populismus (als Praxis) und Demokratie grundsätzlich miteinander verbunden sind. Der Populismus, so Laclau, ist keine Bewegung, sondern ‚politische Logik' (vgl. Laclau 2005, 117). Diese politische Logik ist die Wirk- und Funktionsweise der Institutionalisierung des Sozialen und seiner Ordnungen im Sinne der vorfindlichen sozialen Wirklichkeit als solcher (vgl. Laclau 2005, 117f., 224) – hingewiesen sei auf Laclaus von Husserl übernommenen Begriff der ‚Sedimentation', welcher den Modus des Zustandekommens der lebensweltlichen, sozialen Alltagswelt bezeichnet (vgl. Laclau 1990, 34f.). Diese Institutionalisierung des Sozialen ist jedoch kein objektivistisches Vorkommnis: "Such an institution, however, as we already know, is not an arbitrary fiat but proceeds out of social demands" (Laclau 2005, 117). Aus solchen 'demands'/Forderungen setzt sich, in formaler Hinsicht, das "political subject" (Laclau 2005. 117) zusammen, welches seinerseits aus einer Reihe verschiedener Forderungen besteht (vgl. Laclau 2005 117f., 122f.). Der Populismus ist nach Laclau diejenige Praxis, die ein solches politisches Subjekt bzw. eine solche politische Identität zu konstruieren versucht und dazu verschiedene Forderungen zusammenführt, gegen ein Außen abgrenzt und – sofern die Institutionalisierung gelingt – diese politische Identität mit dem Namen 'Volk' versieht (vgl. Laclau 2005, 110f., 127). Die Behauptung der Verkörperung des Volkes ist für Laclau analog zur Struktur des 'leeren Signifikanten' zu denken (vgl. Laclau 2005, 161–164). 'Volk' ist dabei nie eine automatisch auftauchende oder gar natürliche Identität: "There is nothing automatic about the emergence of a 'people'. On the contrary, it is the result of a complex construction process which can, among other possibilities, fail to achieve its aim" (Laclau 2005, 200). Populismus ist die Praxis jener Konstruktion eines politischen Subjekts, das den Namen 'Volk' für sich beansprucht und in dieser Hinsicht Konstruktions-Logik und nicht politische Bewegung oder spezifische Ideologie. Demokratie als solche ist für Laclau in formaler Hinsicht dasjenige System bzw. derjenige symbolische Raum, in dem verschiedene Arten der Konstruktion des 'Volkes' möglich sind (die folglich konkurrieren). Demokratie in diesem Sinne – dabei müssen wir, wie Stavrakakis unterstreicht (106, 160–163), das imaginäre und symbolische Repertoire der Demokratie bedenken und die demokratische Legitimationsidee der Volkssouveränität (101f.) – ist Stätte der politischen Logik des Populismus: "[T]he problem of democracy […] becomes that of the plurality of frameworks which make the emergence of a ‚people' possible […] the question of the constitution of a popular subjectivity becomes an integral part of the question of democracy" (Laclau 2005, 167). Politische Logiken der Konstruktion eines politischen Subjekts namens 'Volk' müssen demnach in formaler Hinsicht immer populistisch sein. Demokratie und Populismus sind in dieser von Laclau eingenommenen Perspektive nicht voneinander zu trennen, die politische Logik innerhalb demokratischer Systeme erscheint notwendigerweise als populistische Praxis.
Die formalen Aussagen Laclaus erscheinen, betrachten wir die politische Wirklichkeit in demokratischen Systemen, äußerst überzeugend. Will eine politische Kraft – sei es Partei, Bewegung oder organisierter Protest – ihren spezifischen Forderungen Nachdruck verleihen, wird sie versuchen, ihr Anliegen als dasjenige der Allgemeinheit darzustellen. Diese (behauptete) Übereinstimmung ihrer politischen Agenda mit allgemeinen Forderungen des 'Volkes' ist zugleich das nötige Vehikel, um das eigene politische Projekt und seine Programmatik zu verstetigen und zu befördern. Dabei handelt es sich nicht nur um eine wahlkampftaktische oder marketingtechnische Notwendigkeit, sondern zugleich auch um die Logik des Zustandekommens – der Konstruktion – eben jener politischen Kräfte als solchen, insofern das jeweilige politische Projekt sich durch das Finden neuer Wähler, Mitglieder, Milieus oder dgl. konsolidiert oder dabei eben scheitert.
3. Genealogie einer Norm: Populismusdiskurs und die Hegemonie von TINA
Weit davon entfernt, bei dem "recent boom in the academic literature around populism" (3) mit einer objektiven Populismusforschung konfrontiert zu sein, macht Stavrakakis deutlich: "we have to come to terms with the fact that the sensibility underlying much of (supposedly objective) populism research is a priori anti-populist" (7). Folgerichtig steht für Stavrakakis die Frage im Vordergrund, wie eine "critical demystification strategy" und mit ihr das Vorgehen in Gestalt eines "sober, balanced and more reflexive assessment" (17) aussehen muss, um die Fallstricke der gängigen Forschungsansätze zu vermeiden. Neben der Überwindung der zumeist eurozentristischen Perspektive der Populismusforschung und der Berücksichtigung der facettenreichen Geschichte populistischer Politiken und Akteure, rückt Stavrakakis die Frage nach dem Zusammenhang von Populismus und der sich ebenfalls auf "popular sovereignty" (18) berufenden Regierungsform Demokratie als solcher in den Vordergrund (18–21).
Die historisch-geographische Perspektive weitend fragt Stavrakakis nach dem "Populism before populism" (26). Dabei sieht er die Möglichkeit eines Populismus "avant la lettre" (26) dadurch gegeben, dass die Konzepte der Volkssouveränität und "popular legitimation" (27) schon vor ihrer historischen Verfassungswirklichkeit maßgebliche politische Referenzen darstellten und als Legitimationsgrundlage dienten. Die Bewegungen der Levellers, Chartisten und die Fortführung römisch-bürgerlicher Traditionen in Byzanz werden als Beispiele für historische Vorläufer moderner Populismen angeführt (27f.). Spezifisch frühe Exemplare eines modernen Populismus macht Stavrakakis im späten 19. Jahrhundert bei den russischen Narodniki und der US-amerikanischen People's Party aus (31–40): "If pre-revolutionary Russia can be credited with the creation of the first historical populist movement, a few years later (in the 1890s), the United States witnessed the emergence of the first populist party proper" (36). Diese Anfänge des modernen Populismus haben, trotz ihrer relativen Kurzlebigkeit, in Gestalt der Narodniki, durch ihren Einfluss auf Marx und die chinesischen Kommunisten, auf die marxistische Tradition in ihrer Breite gewirkt (34ff.), während der Einfluss der People's Party / Populist Party in den USA im Tiefenstrom der demokratischen Partei überdauern konnte und mittelbar sowie kulturell die New-Deal Politik Franklin D. Roosevelts ebenso vorzeichnete wie die Kampagnen von Bernie Sanders in der jüngeren Vergangenheit (38f.). Im Gegensatz zu den historischen Vorläufern in den USA und dem zaristischen Russland zeichnet die uns zeitlich näher liegenden Populismen des Lateinamerikas des 20. und 21. Jahrhunderts ein Merkmal aus, so Stavrakakis, über welches sowohl die People's Party als auch die Narodniki nicht verfügten: die Fähigkeit, die Regierungsmacht zu erringen und tatsächlich längere Zeit zu regieren (40). Als Beispiele dafür kann Stavrakakis nicht nur auf die Regierungen unter der Führung Juan Domingo Peróns in Argentinien und von Getúlio Vargas in Brasilien verweisen (40ff.), sondern insbesondere auch auf die sogenannte 'Pink Tide' des frühen 21. Jahrhunderts, in deren Verlauf unter anderem Raffael Correa in Ecuador, Evo Morales in Bolivien und Hugo Chávez in Venezuela Regierungsverantwortung übernahmen (40ff.). Von besonderem Interesse ist dabei die von Stavrakakis berührte Frage nach den Entstehungsumständen populistischer Bewegungen und Diskurse sowie ihre etwaige Institutionalisierung und Konsolidierung im Falle erfolgreicher Erringung der Regierungsmacht. Wie Stavrakakis eingehend darstellt, sind es Krisenereignisse – und der mit ihnen einhergehende Legitimationsverlust von oftmals neoliberalen Regierungen – welche die Bedingung für das Aufkommen populistischer Diskurse darstellen (50ff.). Dies gilt für die südamerikanischen Beispiele ebenso wie für die auch angeführten europäischen Referenzen in Gestalt der griechischen SYRIZA sowie der spanischen PODEMOS, deren Wahlerfolge (im Falle SYRIZAs auch die Regierungsübernahme) durch die Euro-Krise und das verordnete Austeritätsregime ermöglicht wurden (48–52). Dabei sind solche Krisenereignisse keine rein objektiven Vorkommnisse, sondern werden von Akteuren eingeordnet, vermittelt, betrieben – sie sind 'performativ' erzeugt, wahrgenommenen und aktiv diskursiv bearbeitet (50f.). Stavrakakis rückt dadurch die aktive und performative Dimension populistischer Politik als einer diskursiven Praxis in den Blick.
Im zweiten Kapitel seiner Untersuchung wendet sich Stavrakakis der Analyse des Diskurses der 'Mainstream'-Populismusforschung zu. Nach einem zunächst positiven Bild von populistischer Politik in der älteren Forschung habe sich, besonders seit den 1950ern und vor dem historischen Hintergrund des Kalten Krieges (58f.), eine zusehends abwertende Deutung des Populismus durchgesetzt. Der heutige Mainstream der Populismusforschung schließe dabei an diese Praxis der Abwertung des Populismus an: "Most of the scholars involved in populism research – the ‚mainstream', the current orthodoxy, so to speak – seem to adopt a rather liberal stance, which usually comes twinned with a more or less anti-populist sensibility" (56). Stavrakakis fragt, wie diese "pejorative mythologization of populism" (57) erfolgen konnte und macht als entscheidende Marke und Wendepunkt den Diskurs der sogenannten Modernisierungstheorie und insbesondere die Arbeit des US-amerikanischen Historikers Richard Hofstadter aus. Die u.a. von Hofstadter geprägte Modernisierungstheorie vertrete nach Stavrakakis eine kapitalistisch (liberale) Entwicklungsgeschichte mit einer "almost eschatological linearity" (70). Abweichungen oder gar Widerstand gegen die Auswirkungen industriekapitalistischer ‚Modernisierung' gelten der Modernisierungstheorie als gleichbedeutend mit Rückständigkeit und somit fortschrittsfeindlich:
Whoever diverged from the dominant rule identified with ‚modern society' – which according to modernization theorists was cosmopolitan, secular, welcoming of rapid changes and characterized by a complex division of labour – was discredited and denounced as abnormal, as unable or unwilling to move beyond 'traditional society' (60).
Aus Sicht der modernisierungstheoretischen Modellvorstellung von Fortschrittlichkeit ist der Populismus die politische Strömung der Rückständigkeit schlechthin. Der Populismus gelte dem Blick der Modernisierungstheorie als Sammelbecken eines irrationalistischen Moralismus, der sich der Moderne verweigere (58–64). Dieser Vorwurf des Moralismus stellt, wie Stavrakakis zeigt, auch das verbindende Moment von altem und neuem Forschungsmainstream dar. Trotz des akademischen Scheiterns des Modells der Modernisierungstheorie (insb. angesichts des Vietnamkrieges) haben sich deren Grundannahmen bezüglich des Populismus nicht nur halten können, sondern bestimmen noch immer den wissenschaftlichen Populismusdiskurs (64–70). Wenn auch die prominenten neueren Erklärungsmodelle der Populismusforschung von Cas Mudde und Cristóbal Rovira Kaltwasser ein, wie Stavrakakis anerkennt, differenzierteres Bild des Populismus entwerfen (73–79), bleiben sie trotzdem im konzeptionellen Rahmen der seit der Modernisierungstheorie vorherrschenden Stereotype befangen (73, 82–89): "[F]ar from being a defining characteristic of global populism, moralization is even more typical of anti-populist politicians, not to mention anti-populist scholars" (86). Wohlwollend bemerkt Stavrakakis bei seiner Frage nach einem möglichen 'Paradigmenwechsel' innerhalb der Populismusforschung dennoch, dass insbesondere Mudde und Kaltwasser sich in jüngerer Zeit einem diskurssensitiven Erklärungsansatz anzunähern scheinen (89ff.). Den von Stavrakakis geforderten methodologischen Perspektivwechsel werden wir im Folgenden anhand seines eigenen, an Laclau anschließenden diskurstheoretischen Ansatzes thematisch machen, um im Anschluss daran Stavrakakis' Beurteilung der Aussichten populistischer Politiken darzustellen.
4. Diskurstheoretische Vorzüge und die Grenzen der Mobilisierung
Stavrakakis optiert für ein an Laclau und Mouffe anschließendes Diskursmodell, welches besser geeignet sein soll, das politische Phänomen des Populismus theoretisch zu bestimmen und dabei die Unschärfen der 'Mainstream'-Forschung zum Thema zu vermeiden. Die bedeutendste Perspektivverschiebung in Vergleich zu den vorangehend behandelten Ansätzen liegt in Stavrakakis' Bestimmung des Populismus als Diskurs (95f.):
[W]e propose that discourse designates an intersubjective knot linking language and its beyond (indicating different types of materiality), symbolic and real, structure and agency, meaning and passion/affect, collective identifications and collective actions, as well as supply and demand (96).
Dieser Diskursbegriff gestattet es Stavrakakis, ein breites Set an Einflüssen und Faktoren zu berücksichtigen, anstatt ein unkritisch normiertes Politikverständnis als Schablone anzulegen. vermeiden. Es braucht eine nicht pathologisierende Perspektive: Stavrakakis fasst den Populismus nicht als abnormale Abweichung von einer vermeintlichen politischen Normalität, sondern als dem Repräsentativsystem der Liberaldemokratien notwendigerweise entspringendes Phänomen (96–102). Stavrakakis lenkt den Blick darauf, dass Repräsentativsystem und Demokratie in historischer Perspektive nicht notwendigerweise miteinander verbunden und es die oligarchischen Tendenzen jener Repräsentationslogik sind, die dazu führen, dass zwischen dem Anspruch der Volkssouveränität im Sinne einer Selbstregierung des Volkes durch das Volk und der repräsentativ-demokratischen Wirklichkeit immer ein Abstand bestehen bleibt, welcher in struktureller Hinsicht die Möglichkeit populistischer Politik eröffnet (97f.): "On the one hand, the representative system invokes something (popular sovereignty) and is premised on something (popular legitimization), which it simultaneously attempts to restrict" (98). Der Populismus ist demzufolge notwendige Begleiterscheinung und Produkt eines bloßen Repräsentativsystems – "[r]epresentative democracy itself seems to have triggered a political choreography that let the populist Genie escape the magic lamp of representation" (102) – keineswegs Abweichung eines andernfalls normalen Laufs der Dinge.
Dass Laclaus diskurstheoretischer Ansatz besser geeignet sei, das Verhältnis von Populismus und (repräsentativer) Demokratie zu bestimmen, führt Stavrakakis konkret auf dessen Einbindung einer Vielzahl von Faktoren zurück – Diskurstheorie im Sinne Laclaus ist keinesfalls bloß sprachlich orientiert und sie reduziert keineswegs Wirklichkeit auf Sprachliches, wie manche Kritiker behaupten (107–110). Mit der Bezeichnung ‚Diskurs' oder in der Rede von diskursiv konstruierten Entitäten, "[t]hey [Laclau and Mouffe] refer to the socially and politically constructed meaning of objectivity, of our reality, which is also shaping its practical implications (inclusive of desire and enjoyment)" (108). Ein solches Diskursmodell – Stavrakakis kennzeichnet es auch als "post-rationalist" (110) – erlaubt die konkrete Analyse der vielfältigen Beweggründe, Einflüsse und Prozesse, die eine komplexe soziale Wirklichkeit konstituieren, ohne dabei in unterkomplexen, übergebührlich schematisierenden Erklärungsmodellen befangen zu bleiben, da es performative, materiale und motivational-affektive Faktoren ebenso berücksichtigt und als diskursiv auffasst, wie sprachliche Äußerungen (108ff., 113f.). Nichtsdestotrotz adressiert Stavrakakis den Vorwurf der Sprachzentriertheit gegen die Diskurstheorie Laclaus und führt diesen teilweise auf die überwiegend linguistisch orientierte Forschungsarbeit einiger der Wissenschaftler:innen aus dem Umfeld der von Laclau und Mouffe begründeten Essex School zurück, die dadurch die Wahrnehmung des eigentlich breiteren Diskursverständnisses – Sprachliches wie Nicht-Sprachliches umfassend – Laclaus verzerrt hätten (113f.).
Das Problem einer Überbetonung des Sprachlichen liegt für Stavrakakis demnach also nicht in einer Verengung der Diskurstheorie Laclaus als solcher, sondern in deren verkürzter Anwendung und Übertragung, welcher Stavrakakis mit einem "Discursive Materialism" (113) zu begegnen versucht. Stavrakakis Ausführungen halten sich dabei beiläufig, und neben dem Hinweis auf einige Referenzen für ein solches Projekt – insb. Georges Bataille und Jacques Lacan (115–119) – verbleibt die Frage nach einem ‚diskursiven Materialismus' im Ungefähren. Es wird auch nicht ersichtlich, wieso ein solcher neuer Materialismus – "we need to conceptualize a new form of materialism" (115) – nach Stavrakakis' Einschätzung nötig sei, wenn die Kritik an Laclaus Diskurstheorie der Fehllektüre der Kritiker:innen oder Fehlanwendung der Rezipient:innen der Diskurstheorie entspringt. Ist dem so, und das scheint Stavrakakis Argumentation über weite Strecken nahelegen zu wollen, wäre eine reformatorische Besinnung auf den ursprünglichen Reichtum der Diskurstheorie Laclaus ausreichend, da diese selbst schon den von Stavrakakis gesuchten ‚diskursiven Materialismus' bereithielte. Dadurch drängt sich der Eindruck auf, dass Stavrakakis mit seinem Anknüpfen an Batailles Überlegungen zum Materialismus und seiner konsequenten Anbindung an Lacans Theorie der Psychoanalyse an den Grenzen und Leerstellen der Diskurstheorie Laclaus weiterarbeitet und dabei noch nicht ausgemacht ist, inwieweit und an welcher Stelle ein solcher Materialismus sich auf Laclaus Diskurstheorie stützen kann. Diese ontologischen und erkenntnistheoretischen Fragestellungen finden, naheliegenderweise, in der weiteren Auseinandersetzung mit dem Populismus keine tiefergehende Berücksichtigung, wenngleich die Stoßrichtung hin zu einem Mehr an Materialität in Stavrakakis Beurteilung populistischer Politiken und Konstruktions-Logiken in dessen abschließendem Kapitel anklingt.
Abschließend kondensiert Stavrakakis seine diskurstheoretisch informierte Analyse populistischer Politiken und der Genealogie des akademischen Populismusdiskurses in einem Definitionsversuch des Populismus, der die "main (minimal) criteria" (123) des Populismus herausstellt. Definitorische Charakteristika des Populismus sind demnach dessen "People-centrism" und sein "Anti-elitism" (123). Die Konstruktion eines politischen Subjekts namens ‚Volk' und dessen Abgrenzung gegen eine ‚Elite' sind die in formaler Hinsicht von Stavrakakis angeführten Minimalkriterien. Diese Definition rückt dabei die performative Dimension des Populismus in den Vordergrund, da weder ‚das Volk' noch ‚die Elite' von selbst im sozialen Raum vorgefunden werden, sondern diskursiv konstruiert oder gar erst zu schaffen sind. Dabei darf nicht vergessen werden, dass dies für Stavrakakis mehr bedeutet als eine bloße sprachliche Zuschreibung, sondern dass materielle Bedingungen, Mittel, Güter und eine Vielzahl anderer Faktoren – insb. auch affektiver – in diesem Konstruktionsprozess ebenso diskursiv wirksam sind wie Sprachliches (125–128). Das durch die populistische Konstruktionslogik zu schaffende politische Subjekt ‚Volk' ist dabei niemals eine homogene Masse, wie Stavrakakis im Ausgang von Mouffe4 erklärt (142–145), dessen populistische Konstruktion darum auch nicht mit einem ethno-nationalistischen Begriff des Volkes zu verwechseln ist, der aufgrund essentialistischer Vorannahmen die Heterogenität und Konstruiertheit politischer Subjektivität leugnet.
Trotz der Weitung der historischen und geographischen Perspektive in der Untersuchung wendet sich Stavrakakis dagegen, in Populismen eine grundsätzlich demokratisch-egalitäre Formierung auszumachen, die allenthalben von Kräften der politischen Rechten nachgeahmt wird und in Gestalt eines vermeintlich wahren oder besseren Populismus an sich begrüßenswert wäre. Dabei ist dieses Urteil insofern folgerichtig, da der Populismus in Stavrakakis' Definitionsanlauf lediglich formal bestimmt wird und somit den Populismus, verstanden als politische Konstruktionslogik, keine ideologische Färbung kennzeichnet – der Populismus ist in diesem Sinne für Stavrakakis kein automatisch demokratisches oder progressives Projekt (136–139). Viele der öffentlich als ‚rechtspopulistisch' angezeigten politischen Parteien oder Bewegungen sind aber, darauf insistiert Stavrakakis, keineswegs als populistisch anzusehen, sondern primär nationalistisch oder fremdenfeindlich und lediglich "mainly peripheral or secondary populist elements" (137) aufgreifend. Die von Stavrakakis vorgenommene Dekonstruktion des Populismusdiskurses und die im Ausgang von Laclau gewonnene formale Minimaldefinition des Populismus nimmt dem Begriff des Populismus nicht dessen vermeintlichen oder tatsächlichen demokratischen Kern, wie es ob der egalitären Geschichte populistischer Politik scheinen könnte, sondern wirkt durch diese formale Perspektive der Verschleifung ideologischer Zuschreibungen entgegen, die Populismus und Rechtsradikalismus in unangemessener und gefährlicher Weise in der öffentlichen Berichterstattung angleichen. Fragwürdig muss dabei jedoch bleiben, ob diese voraussetzungsreiche Differenzierung Eingang finden kann in den öffentlich-medialen Populismusdiskurs oder gänzlich frei von normativen Vorannahmen denkbar sein kann.
Vor dem Hintergrund dieser formal-definitorischen Einschränkungen bezüglich des demokratischen oder undemokratischen Potentials des Populismus fällt Stavrakakis' Urteil über die Chancen und Risiken populistischer Politik zwiespältig aus. Stavrakakis' Resümee zeichnet sich dabei durch dessen diagnostische Originalität aus, die sich nicht am hypothetischen Widerspruch des ideologisch Wünschenswerten und formal Möglichen aufhält – ‚guter' demokratischer Inhalt versus beliebige populistische Form – sondern, die Dimension des Performativen weiter im Blick haltend, die Frage der Mobilisierungsfähigkeit in das Zentrum der Überlegungen stellt (151–163). Der Populismus und dessen politische Logik gelten Stavrakakis als Chance, einen Zustand omnipräsenter Demobilisierung und Entpolitisierung zu überwinden, ohne dass dabei sicher wäre, ob dies gelingen wird:
Its [Populism] role is only that of a vanishing mediator. It emerges against the background of broken systems, which have lost their credibility and legitimacy and call for substantial change. Its only purpose is to facilitate such change without ever guaranteeing its achievement (152).
Trotz der institutionellen Schwierigkeiten, denen Populist:innen in Regierungsverantwortung begegnen und der Institutionalisierungsschwäche populistischer Bewegungen sieht Stavrakakis in der politischen Logik des Populismus und seiner Mobilisierungswirkung das transitorische Mittel und eine mögliche Chance, Zustände politischer Apathie zu überwinden (157–160). Dabei stellt der Populismus für Stavrakakis auch einen Anlass dar, von theoretischer Seite das politische Subjekt des "contemporary democratic citizen" (162) neu zu denken und dabei die affektiven und libidinösen Faktoren politischer Mobilisierung, Partizipation und Konstitution in Rechnung zu stellen. Wie Stavrakakis mit seiner Dekonstruktion des Populismusdiskurses und seiner Analyse populistischer Bewegungen und Parteien demonstriert hat, ist durch eine stereotype Abwertung des Populismus nichts zu gewinnen, aber im Feld der politischen Theorie und Philosophie vieles zu verlieren – was und wie viel dagegen politisch vom Populismus der Gegenwart zu erwarten ist oder gar aus dem populistischen Moment gemacht werden kann, bleibt offen: "There is no risk-free strategy here" (161).
5. Populismus ohne Hype
Insgesamt gelingt es Yannis Stavrakakis in seiner Untersuchung, die unmittelbare Relevanz populismustheoretischer Fallstricke und Ungereimtheiten für gesellschaftspolitische Entwicklungen aufzuzeigen. Seine Dekonstruktion des Populismusdiskurses macht deutlich, weshalb indifferente Konzeptionalisierungen und eine historisch blinde und irreflexive Methodologie nicht nur nicht zur Sicherung demokratischer Standards beitragen, sondern die Erosion demokratischer Gemeinwesen vielmehr vertiefen und eine grundsätzliche Verschleifung und Verflachung politischer Auseinandersetzung und deren öffentlich-medialer Begleitung befördern. In diesem Sinne handelt es sich um einen höchst relevanten Forschungsbeitrag, zumal es, wie Stavrakakis nachdrücklich zeigt, nötig ist, dem auch akademisch reproduzierten "populist hype in all its forms" zu widerstehen (156) und sich dem Phänomen des Populismus – jenseits von Verklärungen – in aller Nüchternheit zu stellen. Über diesen Mehrwert hinaus berührt Stavrakakis auch Fragen der Weiterentwicklung des diskurstheoretischen Ansatzes Ernesto Laclaus, wenngleich die von Stavrakakis ausgemachte Notwendigkeit eines neuen, diskursiven Materialismus (115) aus dem im Forschungsbeitrag Entwickelten kaum ersichtlich wird. Gerade die angeschnittene Frage nach der Verknüpfung der Theorie des Realen bei Lacan mit den Überlegungen Batailles zu einem flachen, nicht hierarchischen Materialismus hätten weiterer Ausführungen bedurft.
Neben dieser nachvollziehbaren Auslassung fällt insbesondere die in Stavrakakis' Urteil über den Populismus eingenommene "post-normative" Perspektive (139) auf, die nach der weitläufigen Dekonstruktion des akademischen Populismusdiskurses und der Aufdeckung des egalitär-demokratischen Erbes der historischen Populismen überraschend scheint. Zwar erfüllt die formale Definition in ihrer Herleitung de facto eine normative Sanktionierung, doch ist danach zu fragen, wie eine Vermittlung von (akademischer) Theoriebildung und Praxis im Ausgang dieses diskurstheoretischen Settings zu entwickeln ist.5 Stavrakakis liefert dazu in Folge seiner Minimaldefinition des Populismus nur wenige Anhaltspunkte. Dem kann zwar mit dem Hinweis auf den post-fundamentalistischen Anspruch Stavrakakis' begegnet werden, doch ist danach zu fragen, ob sich eine politisch-ethische Privilegierung eines demokratischen Egalitarismus nicht schon in Laclaus formaler Bestimmung des Populismus als politischer Logik verbirgt – insbesondere, wenn Laclau die ontologische Gleichwertigkeit von Elementen eines sozialen Systems und der Wirkung der Differenzen betont (vgl. Laclau 2005, 68f.).
Notes
- Stavrakakis verweist explizit auf Foucaults Thematisierung der Dichotomie/Gegenüberstellung (bzw. Ausschließung) Normal/Anormal (3); siehe dazu Foucaults Vorlesungen am Collège de France 1974/75 (Foucault 2007). [^]
- Stavrakakis bezieht sich stellenweise auch auf Laclaus frühere Arbeiten zum Populismus, insb. Politics and Ideology in Marxist Theory (1977). [^]
- Freud 2022. [^]
- Stavrakakis bezieht sich auf Für einen linken Populismus (Mouffe 2018). [^]
- Hingewiesen sei auf Oliver Marcharts Lösungsansatz bzgl. der Frage der Vermittlung von Theorie und Praxis in Gestalt seiner Überlegungen zu einem "political imperative" (Marchart 2018, 196) und der daran anschließenden Versuche zu einer Ethik theoretischer / akademischer Arbeit (vgl. Marchart 2018, 206–217). Während Stavrakakis' Ansatz unvermittelt einen normativen Sprung in Gestalt einer Unterlassung zu vollziehen scheint, liefert Marchart Ansätze zu einer politischen Ethik im Ausgang von Laclaus Diskurstheorie. Marchart muss dazu jedoch den (heideggerianischen) Hegelianismus Kojèves heranziehen, das Laclau'sche Konzept des Antagonismus radikalisieren, das ursprüngliche Terrain der Diskurstheorie Laclaus überschreiten und eine grundsätzliche Wiederannährung des postmarxistischen Diskurses an das Hegel'sche und Marx'sche Erbe vollziehen. Siehe weiter zur Bestimmung von Theorie als Praxis auch Marcharts frühere Ausführungen zur "Arbeit am Begriff" (Marchart 2013, 425f.). [^]
Competing Interests
The author declares that they have no competing interests.
Bibliographie
Foucault, Michel. 2007. Die Anormalen. Vorlesungen am Collège de France 1974–75. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Freud, Sigmund. 2022. Massenpsychologie und Ich-Analyse. In: Massenpsychologie und Ich-Analyse. Die Zukunft einer Illusion, 31–105. 10. Auflage. Frankfurt/M.: Fischer Verlag.
Laclau, Ernesto. 1977. Politics and Ideology in Marxist Theory. Capitalism – Fascism – Populism. London & New York: New Left Books / Verso.
Laclau, Ernesto & Chantal Mouffe. 1985. Hegemony & Socialist Strategy. Towards a radical democratic politics. London & New York: Verso.
Laclau, Ernesto. 1990. New Reflections on The Revolution of Our Time. London & New York: Verso.
Laclau, Ernesto. 2005. On Populist Reason. London & New York: Verso.
Marchart, Oliver. 2013. Das unmögliche Objekt. Eine postfundamentalistische Theorie der Gesellschaft. Berlin: Suhrkamp.
Marchart, Oliver. 2018. Thinking Antagonism. Political Ontology after Laclau. Edinburgh: Edinburgh University Press.
Mouffe, Chantal. 2018. Für einen linken Populismus. Berlin: Suhrkamp.
Müller, Jan-Werner. 2016. Was ist Populismus? Ein Essay. Berlin: Suhrkamp.
Scurati, Antonio. 2024. Faschismus und Populismus. Stuttgart: Klett-Cotta.
Selk, Veith. 2023. Demokratiedämmerung. Eine Kritik der Demokratietheorie. Berlin: Suhrkamp.
Stavrakakis, Yannis. 2024. Populist Discourse: Recasting Populism Research. New York & London: Routledge.