Review
Author: Anna Wieder (University of Vienna)
This article reviews Cory Wimberly's How Propaganda Became Public Relations: Foucault and the Corporate Government of the Public (2020). It follows Wimberly's efforts to uncover the mechanisms and effects of public relations, which lead deep into the archives of early 20th century propaganda theory. Using not only Foucault's method of genealogy, but also drawing on Foucauldian theories of subjectification and government, Wimberly develops an innovative perspective on the workings of PR as well as a critical account on how to resist them.
Keywords: propaganda, public relations, mass psychology, subjectification, Foucault, Bernays
How to Cite: Wieder, A. (2020) “Foucault und die Regierungskünste der Public Relations: Rezension zu Cory Wimberlys How Propaganda Became Public Relations”, Genealogy+Critique. 6(1). doi: https://doi.org/10.16995/lefou.95
Was hat Feminismus mit dem Rauchen zu tun? Im Grunde nichts, möchte man meinen. Allenfalls kommen einem Aufnahmen von Marlene Dietrich und anderen selbstbewussten Frauen in den Sinn, die mit ihren androgynen Hosenanzügen, ihrer tiefen, rauchigen Stimme und nicht zuletzt der dazugehörenden Zigarette zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum Inbegriff eines neuen, emanzipierten Frauenbilds wurden. Nun ist diese Assoziation von weiblicher Emanzipation und Zigarettenkonsum kein Zufall, sondern das Ergebnis einer groß angelegten PR-Kampagne im Auftrag der American Tobacco Company. Als diese Ende der 1920er Jahre neue Absatzmärkte erschließen wollte, stand sie vor der Herausforderung, dass Rauchen für Frauen (zumindest in der Öffentlichkeit) als unschicklich galt. Um ihr Produkt nicht mehr nur an den Mann, sondern vermehrt auch an die Frau zu bringen, setzte die Tabakindustrie im Fahrwasser der ersten Frauenbewegung öffentlichkeitswirksam auf die Inszenierung eines Tabubruchs und rekrutierte Frauen, die sich bei Protestmärschen dem öffentlichen Rauchverbot widersetzen sollten. Die Botschaft lautete: Wer sich dem patriarchalen Frauenbild entziehen möchte, stecke sich eine an. Zigaretten sollten so zu Insignien der rebellierenden Frau werden, die sich gegen männliche Unterdrückung auflehnt. Führende Feministinnen übernahmen die Inhalte und Slogans der Kampagne, erklärten Zigaretten kurzerhand zu torches of freedom und zu Symbolen für Gleichheit, Freiheit und Genuss.1 Kurzum: Es ging darum, ein neues Frauenbild zu schaffen und mit ihm ein neues Begehren nach Tabakwaren.
Gerade diese Macht von Public Relations, neue Subjekt- und Verhaltensformen – wie die rauchende Frau – zu erschaffen, steht im Zentrum von Cory Wimberlys Studie How Propaganda Became Public Relations: Foucault and the Corporate Government of the Public (2020). Darin untersucht Wimberly das Aufkommen einer, wie er es nennt, neuen Form der Propaganda zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die sich – propagandistisch – gleich selbst einen neuen, positiveren Namen gab, eben Public Relations. Dabei unterstreicht Wimberly, dass die beiden Begriffe ihrem Gehalt nach in Wahrheit gleichbedeutend sind.2 Daher werden Propaganda und PR in Wimberlys Studie synonym verwendet. Dabei erinnert Wimberly daran, dass der Vorschlag, Public Relations als neuen Namen für jene Aktivitäten einzuführen, die bisher als Propaganda bezeichnet wurden, auf einen der prominentesten Gründerväter der PR selbst zurückgeht: Edward Bernays, seines Zeichens Werbeguru, Kopf hinter der eingangs skizzierten Rauchkampagne, Propaganda-Theoretiker und nicht zuletzt berühmter Neffe des noch berühmteren Sigmund Freud.
Gewährsmann für den theoretischen Rahmen von Wimberlys Studie ist jedoch weniger der Vater der Psychoanalyse, sondern Michel Foucault. Von Foucault übernimmt Wimberly zum einen methodisch die genealogische Zugangsweise, mittels derer er der Entstehung von Public Relations auf den Grund geht. Dabei führt Wimberlys Spurensuche tief in die historischen Archive der Public Relations. Anhand privater Korrespondenzen, Memoranden und Strategiepapiere ebenso wie publizierten Sachbüchern, Zeitungs- und Zeitschriftenbeiträgen sowie Lehrwerken ergründet Wimberly das Denken der Gründerväter der modernen Propaganda. Zu diesen zählen neben dem bereits erwähnten Bernays PR-Größen wie Ivy L. Lee (zu dessen Klienten neben der Eisenbahngesellschaft Pennsylvania Railroad auch die Unternehmerfamilie Rockefeller und die IG Farben gehörten),3 George Creel (Chef der US-amerikanischen Kriegspropaganda während des Ersten Weltkriegs)4 und Arthur Page (dessen Kommunikationsstrategien die Monopolstellung des Telekommunikationskonzern AT&T sicherten).5 Zum anderen stützt sich Wimberly auch in seiner Analyse der Wirk- und Arbeitsweisen der 'Propagandisten' auf Elemente des Foucault'schen Theorierahmens, nämlich dessen Subjektivierungs- und Regierungstheorie: Propaganda, so Wimberlys zentrale These, lässt sich am besten als eine neue Form des Regierens verstehen, die darauf abstellt, Subjektivierungsprozesse (assujettissement, subjectification) zu steuern und so das Verhalten der Subjekte zu lenken.6
Damit postuliert Wimberly ein neues Verständnis von PR, das sich in mehrerlei Hinsicht von bestehenden Analysen abgrenzt: So argumentiert Wimberly im Unterschied zu sozialepistemologisch fokussierten Ansätzen (Sinclair, Stanley)7 einerseits und ideologiekritischen Positionen (Marcuse, Adorno/Horkheimer, Ewen)8 andererseits, dass Ziel und Wirken der PR nicht darin besteht, Menschen etwas vorzulügen oder ihnen ideologisch den Kopf zu verdrehen. Ebenso wenig adressiert die PR, wie er geltend macht, tiefliegende natürliche Bedürfnisse und Begehren, wie psychologisch orientierte Ansätze der Sozialwissenschaften argumentieren.9 Vielmehr, so Wimberlys Leitidee, besteht die Wirkweise von PR gerade darin, diese überhaupt zu kreieren und mit ihnen neue (Kollektiv-)Subjekte ins Leben zu rufen:10 allen voran den modernen Konsumenten, dessen Wünsche und Begehren den Interessen von Unternehmen korrespondieren. Auf die Frage "Was tut Propaganda?" antwortet Wimberly folglich: "[M]odern propaganda […] is not just an exercise in repression or false belief but the development of an apparatus of government capable of being integrated into the corporation".11 Public Relations lässt sich aus einer an Foucault geschulten Warte folglich, so Wimberly, buchstäblich als eine neue Form der Regierung verstehen, die darauf abzielt, das Verhältnis von (Kollektiv-)Subjekten bzw. Öffentlichkeiten zu Unternehmen zu steuern.
Mit dieser Bestimmung zeigt Wimberly zugleich den Fokus seiner Analyse an: Ihn interessiert die Entwicklung und Implementierung von Public Relations als Regierungsinstrument von Unternehmen und weniger ihr explizit politischer Einsatz. So wird Creels Rolle als Chef der US-amerikanischen Kriegspropaganda während des Ersten Weltkriegs eher nebensächlich verhandelt; und dass Bernays im Auftrag der United Fruit Company auf den Militärputsch in Guatemala 1944 Einfluss genommen hat, wird überhaupt nicht erwähnt.12 Dennoch ist Wimberly stets darum bemüht, die demokratiepolitischen Konsequenzen einer zunehmend effizienteren und professionellen Regierung der öffentlichen Meinung durch die PR und ihre Auftraggeber – private Unternehmen mit kommerziellen Interessen – aufzuzeigen. Schließlich, so betont Wimberly, unterscheidet sich die PR von gewöhnlicher Werbung gerade dadurch, dass sie nicht darauf abzielt, ein einzelnes Produkt zu vermarkten, sondern allererst (gesellschaftliche und politische) Verhältnisse und Subjekte zu schaffen, die dem Produkt zum Erfolg verhelfen. "They [PR] sought to build the other side of mass production – mass consumption – by 'making the consumer.' Importantly, the aim was not to lie to individuals or repress their desires but to give them new relationships productive of new truths, new desires, and most importantly, new conduct."13 Eine umfassende Analyse propagandistischer Subjektivierungsanstrengungen kann daher nicht bei einer Betrachtung des Konsument*innensubjekts stehen bleiben. Auch Arbeitnehmer*innen und die Beziehung zu ihren Arbeitgeber*innen,14 Manager*innen und ihre Rolle in Gesellschaft und Unternehmen,15 Politiker*innen und Wähler*innen sowie ihr Verhalten in politischen Entscheidungssituationen16 und sogar Unternehmen selbst17 waren und sind Objekte von PR-Maßnahmen. Um die Wirkweise und den Erfolg von Public Relations zu verstehen, bedarf es folglich, wie Wimberly geltend macht, einer genealogischen und machtkritischen Inblicknahme einer komplexen politischen und historischen Gemengelage.
Eine erste Station auf dieser Spurensuche bildet die Geburtsstunde der PR selbst. Denn dass die PR mit ihren neuen Regierungsmethoden ausgerechnet zu Beginn des 20. Jahrhunderts so großen Erfolg hatten, mag zunächst verwundern, insofern zu dieser Zeit gerade die Ideale des Liberalismus sowohl die politische als auch die ökonomische Weltanschauung bestimmten. Wimberly zeigt, dass die entstehenden Public Relations in einem Spannungsverhältnis zum Liberalismus standen, das zwischen Allianz und kritischer Distanz changierte. So stoßen sich die frühen Propagandisten mit ihrer Auffassung, wonach Menschen geradezu ihrem Wesen nach für Manipulations- und Transformationsanstrengungen zugänglich sind,18 an den Idealen der Autonomie und Rationalität, die den Subjektbegriff des politischen Liberalismus kennzeichnen. Bemerkenswerterweise profilierten sich die PR zudem als Alternative zum historisch vorherrschenden ökonomischen Regime des Laissez-faire-Kapitalismus. Dafür setzten die Propagandisten der liberalen Konzeption gesellschaftlicher Verhältnisse als rechtlicher Vertragsbeziehungen wie auch der zugrundeliegenden Annahme eines rationalistischen, interessengeleiteten Subjekts die tiefenpsychologische Einsicht entgegen, dass dem Subjekt seine Begehren und die Motive seines eigenen Handelns zumeist unbekannt sind. Bernays, selbst Herausgeber einer frühen englischsprachigen Freud-Ausgabe, brachte diese Überlegung wie folgt auf den Punkt: "Men are rarely aware of the real reasons which motivate their actions […]. It is evident that the successful propagandist must understand the true motives and not to be content to accept the reasons which men give for what they do."19 Anstatt auf die Fähigkeit des Publikums zu vertrauen, rational und entsprechend seiner vermeintlich natürlichen Bedürfnisse zu konsumieren, zielen PR-Leute darauf ab, diese Bedürfnisse gemäß den Interessen des Unternehmens ins Leben zu rufen und zu formen.20 Zugleich gelang es den PR, sich die Ideale des Liberalismus für ihre eigene Legitimierung anzueignen. So stilisierten sich die PR-Fachleute als Verteidiger der Meinungsvielfalt, die mit einem privilegierten Wissen in der Lage seien, die verborgenen Wünsche und Begehren der Masse zum Ausdruck zu bringen: "Public relations could camouflage itself as a good liberal actor, seeking to inform and educate the public, sometimes even claiming that their work made sure that the unheard, oppressed, and minority voices that were 'entitled to a hearing' got publicized."21 Der politische Liberalismus erwies sich somit nach Wimberly als überaus fruchtbarer Boden, insofern die Propaganda vorgeben konnte, ihre Kontroll- und Regierungsanstrengungen in den Dienst der Demokratie zu stellen.
Dieses (Selbst-)Bild der PR als Verteidigerin liberaler Werte und als Stütze der Demokratie hat sich in der Geschichte der PR und ihrer öffentlichen Rezeption hartnäckig gehalten.22 Wimberly argumentiert demgegenüber, dass ein Blick in die Archive der Propaganda diese Selbstdarstellung entlarvt und eine genuin antiliberale und antidemokratische Grundausrichtung der Propaganda freilegt. Diese Haltung geht Wimberly zufolge genealogisch auf den theoretischen Einfluss der Massenpsychologie auf die frühen PR zurück.23 Eine Genealogie der PR setzt daher die Inblicknahme der Geschichte und Ursprünge der Massenpsychologie voraus. Dabei skizziert Wimberly zunächst zwei Abstammungslinien, die Aufschluss über die demokratie-, liberalismus- und bisweilen sogar kapitalismuskritische Orientierung der Massenpsychologie geben sollen. Als Wurzel der ersten, antiliberalen (und kapitalismuskritischen) Abstammungslinie macht Wimberly die politische Ökonomie aus, die auf den schottischen Aufklärer Adam Ferguson und dessen weitere Rezeption durch Karl Marx und Ferdinand Tönnies zurückgeht. Hier ist vor allem das Problem sozialer Entfremdung für die Massenpsychologie und die spätere Propaganda von Gewicht, d.h. die Diagnose, dass in kapitalistischen Gesellschaften soziale (familiäre) Bande zerstört und durch rein instrumentelle, auf den eigenen Vorteil gerichtete Beziehungen ersetzt werden. Dem gelte es, wie Tönnies – und im Anschluss an ihn die Massenpsychologie – betont, mit der Schaffung neuer integrations- und gemeinschaftsstiftender Bilder zu begegnen. Die antidemokratische Ausrichtung der Massenpsychologie entstammt dagegen einer anderen Traditionslinie. So zeigt Wimberly auf, dass die skeptische Haltung gegenüber der Demokratie vom Einfluss reaktionärer französischer Royalisten herrührt, die angesichts der Französischen Revolution die Demokratie und mit ihr die politische Macht der breiten Bevölkerung als zentrale Gefahr für das soziale Gefüge ansahen.
Die Ende des 19. Jahrhunderts aufkommende Massenpsychologie greift diese Sichtweise vor dem Hintergrund eines umfassenden industriellen und demografischen Wandels westlicher Gesellschaften – des rasant steigenden Bevölkerungszuwachses im urbanen Raum, der Etablierung von Industriezentren und der Entwicklung der Arbeiterklasse – auf. Sie schreibt die aristokratisch-konservative Auffassung fort, wonach die Massen der Macht, die ihnen im Rahmen einer Demokratie zukommt, nicht gewachsen sind. Um sozialem Chaos und Kontrollverlust vorzubeugen, bedarf es, wie der Begründer der Massenpsychologie Gustave Le Bon in seiner wegweisenden Psychologie der Massen (1895) betont, des stabilisierenden Einflusses und der Regierung der Massen durch gesellschaftliche Eliten.24
Auch die Geburtsstunde der Public Relations war, wie Wimberly aufzeigt, vom vorherrschenden gesellschaftlichen Unbehagen angesichts immer komplexer werdender Lebensverhältnisse und des zunehmenden Einflusses der 'Unterschichten' geprägt. Zugleich traten an die Stelle der alten politischen Eliten neue wirtschaftliche Eliten, die sich der gesellschaftlichen Macht ihrer Unternehmen zunehmend bewusst wurden. In dem Prozess, Unternehmen zu eigenen Regierungsapparaten auszubauen, kamen die PR ins Spiel. Ihre Botschaft lautete: Da die große Masse der Menschen – geradezu von Natur aus – nicht in der Lage ist, sich angemessen selbst zu regieren, müssen Unternehmen diese Funktion liberal-demokratischer Regierungen übernehmen.25 Demokratie sollte fortan 'gemanagt' werden.26 Die modernen Propagandisten brachten sich nunmehr als Vermittler in Stellung, die im Auftrag der Unternehmen gesellschaftliche Gefahren und Probleme diagnostizierten:27 von mangelnder Verbundenheit der Arbeiter*innen mit den Unternehmen über die Formierung neuer urbaner Machtzentren bis hin zur ausbleibenden Unterstützung vonseiten staatlicher Regierungsinstanzen.28 Die PR profilierte sich damit als 'wissenschaftliche' Disziplin, die Einblick in die Konstitution der Massen zu liefern versprach: "[P]ropagandists depicted themselves as uniquely qualified to interpret and govern the new urban publics for corporate interests. The theory of public subjectivity formed in public relations was depicted as an objective and scientific body of knowledge that granted public relations counsels a halo of authority and professionalism."29 Quelle ihres Erfolgs war jedoch nicht nur die Autorität, die ihnen der Mantel der Wissenschaftlichkeit verlieh, sondern auch die schier universale Anwendbarkeit ihrer Einsichten. Denn wer qua Massenpsychologie die Natur der Menschen kennt – die breite Masse ist dumm, handelt irrational, emotional, impulsiv und von ihren unbewussten Trieben gesteuert30 –, kann mit diesem Wissen selbstverständlich in alle möglichen Klientele, Projekte und Situationen intervenieren: von streikenden Arbeiter*innen über unzufriedene Konsument*innen bis hin zu kritischen Wähler*innen.31
Zugleich wussten die PR-Leute ihre 'wissenschaftlichen' Einsichten in die Massen in professionelles 'Expertenwissen' zu übersetzen.32 Im Zuge dieser Professionalisierung lieferten die Public-Relations-Firmen ihren Auftraggebern nicht nur immer neue Instrumentarien und effizientere Regierungskonzepte.33 Sie entwickelten und verfeinerten auch ihre eigenen Analyseraster, die helfen sollten, die Wirksamkeit ihrer Arbeit zu überprüfen. Zum einflussreichsten Maßstab der PR wurde im Anschluss an Bernays' bahnbrechende Studie Crystallizing Public Opinion (1923)34 die öffentliche Meinung. Diese diente Bernays, wie Wimberly in Richtung epistemischer Kritiken, unterstreicht, nicht nur als "barometer of beliefs",35 sondern als Messinstrument für Verhalten und soziale Beziehungen im Allgemeinen. Schließlich besteht Bernays ausdrückliches Ziel nicht so sehr darin, dass die Menschen die Botschaften der Propaganda als wahr anerkennen, sie sollen bloß entsprechend handeln. Für Bernays ist letzteres keine Sache des Glaubens oder der rationalen Überzeugung, sondern vielmehr des bisweilen unausgesprochenen und unbewussten Begehrens, wie Wimberly pointiert festhält: "What he [Bernays] wants are new subjects, subjects whose own drives truly and authentically lead them to the conduct desired by their clients' as their own".36
Wimberlys Studie bleibt nicht bei einer genealogischen Bestandsaufnahme der Frühzeit der Public Relations stehen. Im abschließenden Kapitel zeichnet Wimberly zum einen nach, wie die PR im Lauf des 20. Jahrhunderts ihren Kinderschuhen entwuchsen und durch zunehmende Professionalisierung und Präzision ihrer Analysemethoden sowie unter Rückgriff auf neue (digitale und technische) Instrumentarien (Meinungsumfragen, statistische Erhebungen, Fokusgruppenanalyse und jüngst Big Data)37 zu einem umfassend akzeptierten, effektiven und einflussreichen Regierungsinstrument geworden sind.38 Zum anderen rückt Wimberly erneut die Frage nach dem Einfluss der PR auf die Konstitution demokratischer Gefüge in den Fokus.39 Der Umstand, dass PR heute allgemein akzeptiert und als Kommunikationsinstrument anerkannt sind, macht es laut Wimberly nötig, ihre Wirkmacht kritisch zu beleuchten und vor allem nach Möglichkeiten und Strategien des Widerstands gegen propagandistische Regierungsweisen zu fragen. Auch hierfür setzt Wimberly bestehenden kritischen Auseinandersetzungen mit Propaganda einen Foucault'schen Ansatz entgegen, indem er aufzeigt, dass sich die Frage nach Widerstandsmöglichkeiten gegen propagandistische Regierungs- und Subjektivierungsformen letztlich nicht mithilfe traditioneller Befreiungsnarrative beantworten lässt.40 Weder hemmt es die Wirkung der PR, dass man ihre Inhalte als Lügen oder ihre Repräsentation der Öffentlichkeit als falsches Konstrukt entlarvt, noch lässt sich darauf hoffen, dass sich die von den PR kreierten Bilder einfach wie Schminke abwaschen lassen und darunter ein unverstelltes, quasi natürliches Subjekt zum Vorschein kommt.41 Vielmehr unterstreicht Wimberly, dass ein erfolgreicher Kampf gegen Propaganda die ihr eigenen theoretischen Annahmen, praktischen Methoden und strategischen Einsatzpunkte ernst nehmen muss. Für Wimberly lautet die zentrale Frage im Hinblick auf die Möglichkeit von Widerstand gegen PR/Propaganda daher: "How might we build relationships that can displace propaganda and leave a more democratic field for subjectivation and government in its wake?"42 Wimberly argumentiert also, dass es zur Etablierung eines emanzipatorischen, ja widerständigen Verhältnisses zu Propaganda der Stiftung neuer Verhaltensweisen und Beziehungsformen bedarf, von Gegenidealen, Gegensubjektivitäten und Gegenöffentlichkeiten.43 Es geht, mit anderen Worten, um eine Demokratisierung der Subjektivierungsprozesse selbst.44
Angesichts dieser Emphase eines Mehr an Demokratie bleiben Wimberlys Ausführungen dazu, auf welche Idee von Demokratie seine Überlegungen letztlich abzielen, allzu holzschnittartig. Eine Intensivierung der Demokratie wird zwar stets als Ziel des Widerstands gegen Propaganda benannt, eine genauere Skizze der damit verbundenen Idee von Demokratie – sowie des Verhältnisses einer solchen Demokratie zu Propaganda – bleibt allerdings aus. Das ist insofern von Bedeutung, als Leser*innen damit lediglich jenes konventionelle liberale Idealbild von Demokratie assoziieren können, das Wimberly gegenüber der propagandistischen Idee der modernen (Massen-)Demokratie konturiert.45 So ist etwa die Rede davon, dass öffentliche Meinung als Produkt rational-deliberativer Verständigungsprozesse zu verstehen ist.46 Ein solches Demokratieverständnis, bei dem man eher an Frankfurt als an Paris denkt, überrascht in einer explizit an Foucault orientierten Studie. Gerade im Hinblick auf Wimberlys ausdrückliches Ziel einer machtkritischen Untersuchung von Propaganda scheint es ratsam, von allzu schematischen Oppositionsbildungen Abstand zu nehmen: hier die Unternehmen und ihre Handlanger, die PR – dort die demokratische Öffentlichkeit; hier die rationale, saubere Argumentation (als Kennzeichen guter Demokratie) – dort die irrationale, schmutzige Bildwelt der PR (als Gefahr für die Demokratie). Auch und gerade weil Wimberly diese Gegenüberstellung den Archiven der PR selbst entnimmt, wäre hier die Entwicklung einer weitergehenden kritischen Reflexion besonders wünschenswert. Gewiss, Wimberlys Vorschläge für Widerstand gegen Propaganda setzen sich explizit von liberalen Befreiungserzählungen ab, die auf die Stärkung eines selbstbestimmten, rationalen Bürgersubjekts abstellen. Über diese Kritik am liberalen Subjektbegriff hinaus wäre seine Darlegung allerdings um eine machtkritische Auseinandersetzung mit den heute gültigen Normen und Prozeduren der liberalen Demokratie, einschließlich ihres Verhältnisses zu PR und Propaganda, zu ergänzen.
Dessen ungeachtet liefert Wimberlys Studie eine sowohl innovative als auch hinsichtlich der Materialauswahl bestechende Perspektive auf das Phänomen der Public Relations. Nicht nur fördern Wimberlys Grabungen in den Archiven der PR-Väter Erstaunliches und Lehrreiches zutage, das für die Strategien, die Reichweite und die Ausrichtungen von PR-Praktiken sensibilisiert. Es sind insbesondere die genealogischen und machtkritischen Einsichten einer Foucault'schen Perspektive, mit denen Wimberly in den zunehmend von epistemischen Gesichtspunkten aus geführten Diskurs um Public Relations und Propaganda kritischen zu intervenieren und die Theoriedebatte produktiv zu bereichern vermag.
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